Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Karikatur Colonel Blimp (1936)

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Kennen Sie Colonel Blimp?

 Die Toleranzfähigkeit einer politischen Kultur drückt sich vielleicht am deutlichsten in den Karikaturen aus, die sich diese Gesellschaft leistet. Satirische Zeichnungen fördern virulente Widersprüche an den Tag und überziehen sie mit befreiendem Humor. Die Briten gönnten sich die wohl vollkommenste Verkörperung schwarzen Humors im politischen Leben: Colonel Blimp. 1934 wurde diese Figur von dem großen "cartoonist" Sir David Low (1891-1963) ins Leben gerufen. Dreiundzwanzig Jahre lang konnten sich die Leser des Evening Standard an den widersinnigen Äußerungen dieses Ewiggestrigen ("die-hard") erfreuen, vor allem aber auch zum Nachdenken anregen lassen. Colonel Blimp avancierte zur Kultfigur. Seine Auslassungen wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und sogar verfilmt (The Life and Death of Colonel Blimp von Michael Powell, 1943).

Was David Low reizte, waren Übersteigerungen. Der Zeichner wollte unhaltbare Widersprüche und grobe Allgemeinplätze bloßstellen. Meist visualisierte Low seinen Oberst in der Sauna sitzend, wo er nackte Halbwahrheiten ausschwitzt. Vom Künstler mit knappen Tuschestrichen aufs Papier gebracht, offeriert Blimp groteske Lösungen für die anstehenden Weltprobleme mit dem Ernst des bis in die Bartspitzen seines Walroßbartes Überzeugten. Viele von Blimps grotesken 'Lösungsvorschlägen', so scheint es, könnten auch heute noch gemacht werden. So rät der beleibte Oberst etwa: "Wir müssen das Heer der Arbeitslosen dazu zwingen, freiwillig ins Heer einzutreten." An anderer Stelle verlangt er: "Um die britische Freiheit zu bewahren, mein Herr, müssen wir die gesamte Labour Party einsperren." Die ostentative Sorge um eine Freiheit mit Schlagseite veranlaßt Blimp zu dem Vorschlag: "Wir müssen die Redefreiheit in unserem Land bewahren, jedoch zugleich verhindern, daß die falschen Leute etwas sagen." Als eine noch radikalere Lösung empfiehlt er: "Die öffentliche Erziehung muß eingestellt und die Schulen müssen geschlossen werden. Könnten die Menschen nicht lesen, so wüßten sie auch nichts von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. Auf diese Weise läßt sich das Vertrauen in die Regierung mit einem Schlag wiederherstellen."

Im steten Streit mit dem rechte Sprüche klopfenden Blimp liegt eine zweite Figur, Pmilb, der auf den Kopf gestellte Blimp, der ebenso grobschlächtige Parolen des linken Lagers zum Besten gibt.

Das Fach British Studies befaßt sich mit der Gesellschaftsstruktur und den Gegenwartskulturen Großbritanniens unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichten. Methodisch gesehen, zählt British Studies zu den Kulturwissenschaften. Dem Fach liegt ein theoretisches Konzept zugrunde, das Kultur als die Summe der Konstruktionen und kulturellen Praxen einer Gesellschaft und ihrer Gruppen versteht. Dabei werden nicht nur Großgruppen zum Gegenstand wissenschaftlicher Beschäftigung gemacht, sondern auch Minderheiten in ihrer Vielfalt und ihrem Recht auf Anerkennung betrachtet. Das theoretische und praktische Erkenntnisinteresse richtet sich auf das Zustandekommen von Lebensweisen und Umgangsformen, Glaubenshaltungen und politischen Ansprüchen, Institutionen und Repräsentationen.

Arbeitsgrundlage einer Auseinandersetzung mit der britischen Kultur sind vor allem 'Texte', verstanden in einem umfassenden Sinn. Darunter fallen nicht nur klassische Textsorten wie Verfassungstexte, philosophische Werke, historische Darstellungen, journalistische Artikel usw., sondern ebenfalls literarische Quellen, Bildmaterial, Filme, Reklame, Bauwerke, Karikaturen (wie Colonel Blimp), symbolische Repräsentationen (z.B. Fahnen) und Alltagsgegenstände (etwa Kleidungsstücke, Möbel). Zur Entschlüsselung dieser 'Texte' und Repräsentationen werden historische, soziologische, anthropologische, und hermeneutische Verfahren genutzt.

Die Vermittlung der Lehrinhalte geschieht in einübenden Proseminaren und exemplarisch ausgerichteten Hauptseminaren. Die Lehre wird unterstützt durch Exkursionen. Insbesondere der Diplomstudiengang Anglistik fördert den Studienaustausch und verlangt ein zeitlich in den Studiengang integriertes Auslandssemester in Zusammenarbeit mit britischen Partneruniversitäten.

Ziel des Faches British Studies ist der Erwerb breit angelegter wissenschaftlicher Kenntnisse über Großbritannien und einzelne Commonwealthländer. Außerdem werden an Fallbeispielen vertiefte Einsichten in exemplarische kulturelle, politische, historische und wirtschaftliche Zusammenhänge vermittelt. Das Studium soll Absolventinnen und Absolventen dazu befähigen, die Kultur des anderen Landes zu verstehen und im beruflichen (geschäftlichen, lehrenden, interpretierenden) Umgang zu berücksichtigen. Darüber hinaus verfolgt der Studiengang grundsätzlich eine Sensibilisierung für Fremdeitserfahrung. Das gilt nicht nur für 'andere' Kulturen, sondern auch für das 'Fremde' im eigenen Lebenszusammenhang.

Das Fach British Studies wird gelehrt als

  • Hauptfach im Diplomstudiengang Anglistik
  • integrierter Studienanteil im Magisterstudiengang Anglistik und Amerikanistik
  • integrierter Studienanteil im B.A. und M.A.-Studiengang Angloamerikanische Studien (IKEAS)
  • integrierter Studienanteil im B.A.-Studiengang Anglistik und Amerikanistik
  • integrierter Studienanteil im M.A.-Studiengang Angloamerikanische Literatur, Sprache und Kultur
  • integrierter Studienanteil der Lehrerausbildung für die Lehrämter an Gymnasien, Sekundarschulen und Förderschulen im Fach Englisch
Karikatur von David Low, Evening Standard (London)

Karikatur von David Low, Evening Standard (London)

Karikatur von David Low, Evening Standard (London)

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