Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Aussschnitt aus einem Porträt von Pocahontas (National Portrait Gallery of
the Smithsonian Institution in Washington, D.C.)

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Kennen Sie Pocahontas?



Bis zum gleichnamigen Disney-Film war Pocahontas hierzulande so gut wie unbekannt; in den USA dagegen kennt sie jedes Kind. Als Tochter des mächtigen Indianerhäuptlings Powhatan rettete sie 1607 das Leben John Smiths, des Anführers der britischen Siedler, indem sie sich, wie er später berichtete, über ihn warf und damit verhinderte, daß ihre Stammesgenossen ihn erschlugen. Später trat Pocahontas zum Christentum über und heiratete John Rolfe, einen Briten, dessen Methode des Tabakanbaus das wirtschaftliche Überleben der Kolonie Virginia sicherte und damit die weitere Präsenz der Engländer in Nordamerika ermöglichte. Um für den Zuzug weiterer Siedler zu werben, reiste Pocahontas mit Mann und Sohn Thomas 1616 nach England, wo sie aufgrund ihrer königlichen Herkunft bei Hof empfangen und als "la belle sauvage" (die schöne Wilde) begeistert gefeiert wurde. Sie starb vor ihrer Rückkehr an einer Grippe.

Nichts davon wissen wir von ihr selbst. Ihre Geschichte wird nur in den Aussagen anderer sichtbar, was naturgemäß zu perspektivischen Verzerrungen führt. Genereller spiegelt diese Quellenlage die Problematik der historischen Darstellung indianisch-europäischer Kulturkontakte wider: In der Regel haben nur die Weißen schriftliche Zeugnisse hinterlassen, während indianische mündliche Überlieferungen dieser Zeit nicht mehr direkt greifbar sind. So ist das historische Bild Pocahontas' immer bereits europäisch überformt: Ihr berühmtestes Portrait zeigt sie als "Lady Rebecca" entsprechend der britischen adeligen Mode gekleidet.

Die Attraktivität Pocahontas' liegt vor allem in ihrer Verkörperung von "Geschichte", wie sie nach Meinung vieler Amerikaner und Amerikanerinnen hätte sein sollen: Die indianische Urbevölkerung geht freiwillig mit den europäischen Siedlern eine "Ehe" ein, in der die Europäer - den Geschlechterrollen entsprechend - die dominante Rolle spielen, ja sie übernimmt die 'überlegene' europäische Kultur und geht letztlich in dieser vollständig auf. Eine solche Konstruktion, die Pocahontas auch als "Mutter der Nation" apostrophiert, tröstet nicht zuletzt über das Unbehagen an der historischen Vertreibung und teilweisen Auslöschung der indianischen Bevölkerung durch die Europäer hinweg.

Das Fach American Studies befaßt sich mit der Geschichte und Kultur der Vereinigten Staaten von Amerika. Da sich die Bevölkerung der USA aus Frauen und Männern unterschiedlichster ethnischer Herkunft zusammensetzt (Native Americans, African Americans, Amerikaner europäischer Abstammung, Chicanos, Asian Americans usw.), liegt ein besonderes Augenmerk auf der interkulturellen Kommunikation der verschiedenen ethnischen Gruppen und der multikulturellen Natur der amerikanischen Gesellschaft.

Methodisch gesehen zählt American Studies zu den sog. Kulturwissenschaften. Kultur wird dabei als die Summe der Institutionen, Konstruktionen und Praktiken verstanden, durch die Realität strukturiert und interpretiert wird. Wichtige Analysekategorien sind die Beziehungen von 'Rasse', Klasse und Geschlecht, die gesellschaftliche Verhältnisse vielfach hierarchisch organisieren.

Arbeitsgrundlage einer Auseinandersetzung mit der amerikanischen Kultur sind vor allem 'Texte', verstanden in einem umfassenden Sinn. Darunter fallen nicht nur klassische Textsorten wie Verfassungstexte, Akten und Regierungsdokumente, philosophische Werke, historische Darstellungen,journalistische Artikel usw., sondern auch literarische Werke, Bildmaterial, Filme, Reklame, Musik, Bauwerke, Karikaturen, symbolische Repräsentationen (z. B. Sticker, Fahnen) und Alltagsgegenstände (etwa Kleidungsstücke, Möbel). Zur Entschlüsselung dieser 'Texte' und Repräsentationen werden soziologische, anthropologische, historische und literaturwissenschaftliche Verfahren genutzt.

Die Vermittlung der Lehrinhalte geschieht in einübenden Proseminaren und exemplarisch ausgerichteten Hauptseminaren. Teil des Studiums ist in der Regel ein Studienjahr bzw. -semester im englischsprachigen Ausland.

Ziel des Faches American Studies ist die Vermittlung einer grundlegenden und an Fallbeispielen vertieften Kenntnis der US.-amerikanischen Geschichte und Kultur als Resultat wissenschaftlicher Beschäftigung. Das Studium soll die Absolventen und Absolventinnen dazu befähigen. die Kultur des anderen Landes zu verstehen und in ihrem (geschäftlichen, lehrenden, interpretierenden) Umgang zu berücksichtigen. Darüber hinaus verfolgt der Studiengang eine Sensibilisierung für die Möglichkeiten und Spezifik interkultureller Kommunikation.

Das Fach Amerian Studies wird gelehrt als

  • Hauptfach im Diplomstudiengang Amerikanistik
  • integrierter Studienanteil im Magisterstudiengang Anglistik und Amerikanistik
  • integrierter Studienanteil im B.A. und M.A.-Studiengang Angloamerikanische Studien (IKEAS)
  • integrierter Studienanteil im B.A.-Studiengang Anglistik und Amerikanistik
  • integrierter Studienanteil im M.A.-Studiengang Angloamerikanische Literatur, Sprache und Kultur
  • integrierter Studienanteil der Lehrerausbildung für die Lehrämter an Gymnasien, Sekundarschulen und Förderschulen im Fach Englisch
Baptism of Pocahontas by John Gadsby Chapman
oil on canvas, 12' x 18', commissioned 1837
placed in U.S. Capitol 1840

Baptism of Pocahontas by John Gadsby Chapman oil on canvas, 12' x 18', commissioned 1837 placed in U.S. Capitol 1840

Baptism of Pocahontas by John Gadsby Chapman
oil on canvas, 12' x 18', commissioned 1837
placed in U.S. Capitol 1840

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